Kochbücher

Spiegelei frei – individuell für alle

Für Künstler und Intellektuelle

Vorbereitung: Salz, Pfeffer, Paprikagewürz oder andere (Gewürzwahlfreiheit) griffbereit neben den Herd stellen. Außerdem Öl und Eier.

Voraussetzung für genial geile Eier: Radio oder selbstgewählte Musik spielen lassen - zur Einstimmung. Empfohlen: Konstant akustische Beschallung während der gesamten Bratprozedur - Gesinnung auf das Gefühl. Es möchte mit Liebe gekocht werden.

Eine gut beschichtete Pfanne wählen, welche akkurat die jeweilige Menge an gewünschten Eiern energieeffizient beherbergen kann. Sollte Ungewissheit darüber herrschen, ob Hunger oder nur Appetit besteht, nochmal tief in sich kehren oder ein kaltes Spiegelei zu späterer Stunde in Betracht ziehen. Nach Abschluss der Vorüberlegungen bezüglich der Eieranzahl, einen Schuss Öl locker aus der Hüfte schwingend, im Takt zur Musik in die Pfanne kippen. Hier darf großzügig vorgegangen werden, ganz im Sinne von „mehr bringt mehr“. Anschließend Ei in die Wahlhand nehmen (Links- oder Rechtshänder?), fortgeschrittene Eierliebhaber mit Hunger arbeiten mit 2 Eiern und zwei Händen gleichzeitig. Natürlich im Rhythmus zum aktuellen Song (eine Langzeitstudie der Uni Köln belegt, dass insbesondere beim Auftakt zum Refrain eine 87%ig höhere Wahrscheinlichkeit besteht, eine unversehrte Eilandung in der Pfanne zu erzielen).

Sobald die Eier munter beherbergt sind, sind Koordination und Schnelligkeit gefragt: Herd hochdrehen (maximum), pfeffern, salzen, zwischendurch Tisch decken mit Teller, Gabel, Messer, Licht. Und was trinken?

Wein, Wasser, Kakao, Ouzo?

Tipp: Die letzten Schritte können auch vorab erledigt werden, damit nach Eierpfannenfall zum Brutzelgeräusch und Ausklang des Brataktes vorfreudlich entspannt werden kann.

Achtung: Sobald der äußerste Rand des Eis oder der Eier goldbraun - ist - höchste Konzentration erforderlich: Nur durch genaue Beobachtung kann der Grad der Spiegeleihärte beziehungsweise Spiegeleierweiche exakt erkannt werden. Je nach individuellem Geschmack, muss bei erwünschtem Top-Ei-Zustand sofort „der Pfannenwender“ geschwungen werden. Und zwar vorsichtig, nicht feige. Selbstbewusst und fokussiert, nicht überambitioniert. Bildliche Einläutung zum Endspurt: knallig gänseblümchenfarbendes Superei auf „Schieber“.

Letzter künstlerischer Akt: Pfannenkuchenmäßig handhabend das Ei auf den bereits positionierten Teller fliegen lassen. Falls vorhanden und in Reichweite, zwei Schnittlauchstängel und/oder ein bisschen Petersilie neben das Spiegelei legen, als Farbtupfer für die Gesundheit und die Hoffnung.

für gestresste eltern und Chaos-wg-ler

Eier aus dem Kühlschrank holen, Gewürze zusammensuchen und dort abstellen, wo gerade Platz ist (so nah am Herd wie möglich). Mit den Händen alle Gegenstände, Zettel, Spiele usw. gekonnt vom Tisch schubsen, mit den Füßen alles, was zwischen Tisch und Herd rumfliegt, wegkicken. Tisch decken, Wasser sprudeln, Herd an, Öl in die Pfanne und Eier direkt reinhauen. Dunstabzugshaube an!

Wichtig: Handy auf lautlos stellen oder verstecken, Kind(er)/Mitbewohner rufen: „Essen ist fertig“. (Gewohnheitsmäßig dauert es mindestens 5 Min. bis der Nachwuchs (Mitwuchs) tatsächlich in Erscheinung tritt)

Sobald die Eier brutzeln: Würzen! Pfanne auf den Tisch (Untersetzer drunter) stellen. Erneut Kinder (anwesende WGler) rufen. Dunstabzugshaube aus! Ein paar Sekunden die Stille genießen, bevor die anderen zu Tisch stürmen oder schlurfen. Je nach Erziehungsstil/Stimmung/Gepflogenheiten darf sich, entweder im Sinne von „Wer zuerst kommt, malt zuerst“, ein Ei ausgesucht werden, oder es wird „Sching Schang Schong, Klick Klack Kluck, Schere Stein Papier, oder wie auch immer man dieses Spiel nennt, gespielt.

Dann innerlich freuen und entspannen (Yes! Geschafft! Endlich sitzen und essen, während äußerlich serviert, funktioniert und/oder diskutiert wird.

für Spießer und Pedanten  (und die, die es werden wollen)

Frau oder Mann begibt sich in eine lupenreine, am besten vorab desinfizierte Küche. Das Bereitstellen der zu benutzenden Küchenutensilien ist unabdinglich.

Utensilien: 1. Spezielle Eierpfanne

            2. Eierwender

            3. Eieruhr

            4. Eierform

            5. Messband

Bereitstellen der Zutaten:

1.   Gewürze (Salz 1,5g und Pfeffer 1g (bei 2 Eiern!)

2.   Öl (Rapsöl, 33ml)  

3.   Bio-Eier (Größe M, Umfang: 13,5 mm, Höhe: 80mm)

Die Eierpfanne auf der Kochplatte positionieren. Herd auf  Stufe 3 drehen (bei 10-12 Stufen, bei einem Gasherd auf die kleinste Stufe). Das Öl dazu geben und es langsam erhitzen lassen. Nach 2 Min.(Eieruhr stellen!) Eierförmchen in der Pfanne platzieren und sogleich die gewünschte Anzahl Eier in die dafür vorgesehenen Formen gleiten lassen.

Hinweis: Einmal-Handschuhe benutzen.

Nach 2,5 Min. salzen und pfeffern, danach Herd ausdrehen und die Pfanne auf eine kalte, zuvor nicht benutzte Herdplatte schieben. Während die Eier abkühlen, Tisch decken. Messer, Gabel, Teller – Messer rechts vom Teller, Gabel links (Abstand zum Teller jeweils 3,5 cm).

Das Auge isst mit.

Getränke-Empfehlung: Ein Glas Mineralwasser oder ein Glas Rotwein.

Sobald der Tisch gedeckt ist, mit dem Eierwender die Spiegeleier sachte auf den Teller gleiten lassen. Serviette nicht vergessen und auf den Schoß legen, bevor der erste Bissen zum Mund geführt wird.

Außerdem: Jeden Bissen 32x kauen – in der Ruhe liegt die Kraft.

Guten Appetit!  

für Getriebene und Keine-Zeit-Haber

Kühlschranktür öffnen, Butter und Eier raus. Herd andrehen, höchste Stufe. Pfanne oder Topf greifen, Fett rein und Behälter auf die Kochplatte stellen. Alle Eier, die da sind (schmecken auch kalt später) reinkloppen. Gewürze egal! Das, was da ist - ohne Salz ist eh gesünder. Sobald Eier brutzeln, laut zählen im Sekundentakt. “1…2…3…4…5” und schnell auf Toilette, damit das schonmal erledigt ist. So kann nach dem Essen gleich weiter gerödelt werden. Während der Sitzung das Weiterzählen nicht vergessen (elementar!). “78…79…80…” Spätestens bei 130 zurück zum Herd sprinten und sofort Spiegeleier mit dem Schieber aus dem Bratgefäß holen und auf Serviette, Brettchen oder sonstige Unterlage hieven.

Folgender Verzehr im Stehen oder Sitzen mit Hand, Gabel oder Löffel.

Sonja Schmidt